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„Herr Doktor, habe ich einen Vitaminmangel?“
In dem Artikel, Nahrungsergänzungsmittel: Sinnvoll oder Unsinn haben wir die Fakten zu unserer Ernährung erläutert: In Deutschland ernähren wir uns alles andere als optimal. Fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag sollten es Minimum sein, realistisch sind es jedoch nur 1-2.
Fakt ist auch, dass in Deutschland fast niemand die Richtwerte für alle Nährstoffe erreicht. Das legt nahe, dass wir nicht nur das Falsche essen, sondern viele Menschen auch unter einem chronischen Vitaminmangel leiden.
Doch warum wird dann ein Mangel so selten festgestellt? Wie erkennt man einen Vitaminmangel? Solltest Du einen Blut-Test machen lassen? Wenn ja, welchen und wie zuverlässig ist das Blutbild?
Das Gespräch mit Deinem Arzt über Vitamine und Ernährung
Der Arzt ist häufig Ansprechpartner Nr. 1 in allen Angelegenheiten rund um Gesundheit, Mangelzustände und auch Prävention. Wir wurden schließlich so erzogen und auch in den Mainstream-Medien wird immer der Gang zum Arzt empfohlen, wenn man Informationen über Nährstoffe möchte. Zurecht?
Letztens bin ich selbst für eine Blutabnahme zum Arzt gegangen, denn ich wollte aus purem Interesse meinen Omega-3-Wert ermitteln lassen. Als Reaktion folgte ein 15-minütiger Vortrag: „Was? Warum denn? Sie sind doch jung und gesund. Also es ist eigentlich sinnlos Omega-3 zu testen. Und ich habe im Ärztemagazin über Studien gelesen, dass Omega-3-Kapseln gar nichts bringen. Also Vorsicht. Ich rate Ihnen ab.“
Ich habe geduldig zugehört. Erst am Schluss habe ich erwähnt, dass ich professioneller Ernährungsberater bin, mit dem Schwerpunkt auf Nahrungsergänzungen und dass ich Menschen im Bereich Nährstoffe aufkläre – eben weil hier viele Falschinformationen im Umlauf sind.
Die Reaktion meines Arztes daraufhin war eine vollständige 180°-Wende: „Ooooh. Achso, spannend! Ja also, da muss ich Ihnen sagen, also wir Ärzte kennen uns ja mit Ernährung gar nicht aus. Gut, dass es Menschen wie sie gibt! EDTA-Blut? Alles klar, machen wir.“
Diese Geschichte gibt ein gutes Bild, wie die meisten Ärzte sich (leider) verhalten. Obwohl sie keine Ahnung von Ernährung haben, geben sie dennoch eine Empfehlung, statt ihre Patienten an entsprechende Experten weiterzuleiten. Noch schlimmer: Sie geben vor, sich auszukennen und verunsichern damit ihre Patienten.
Denn Fakt ist: Ernährung wird im Medizinstudium minimal bis gar nicht behandelt. Gleiches gilt für Nahrungsergänzungsmittel. Mikronährstoffe werden nur grob angeschnitten, in ihrer Funktion erklärt, abgehakt und tauchen in der weiteren Ausbildung nie wieder auf.
So erklärt Prof. Pietrzik von der Universität Mainz in einem Interview mit Andreas Jopp: „Die meisten praktischen Ärzte wissen gar nicht so ganz genau wie einzelne Vitamine arbeiten und wofür sie gut sind. Die neueren Nährstoffstudien sind den meisten überhaupt nicht bekannt. Man trifft da meist auf ein recht allgemeines Wissen …“
Ein guter Arzt wird genau das zugeben, wenn Du ihn danach fragst und Dich an einen Experten weiterleiten. Leider gibt es aber zu viele Ärzte, deren Ego höher hängt als ihre Kompetenz. Das solltest Du wissen und Dich deshalb nicht wundern, falls Dein Arzt eine abweisende Haltung gegenüber einem Blut-Test oder Nahrungsergänzungen einnimmt.
Der Arzt ist kein Ernährungsexperte, sondern für akute Symptome und Krankheiten zuständig.
Im Gespräch mit Deinem Arzt (über Nährstoffe) solltest Du deshalb eine dominante Rolle einnehmen und Deine Wünsche klar ausdrücken – oder gegebenenfalls auf Deinen Ernährungsberater verweisen.
Vitaminmangel über das Blutbild identifizieren? Beispiel Vitamin B-12-Mangel
Wenn man einen Arzt gefunden hat, der einem Blut abnimmt, stellt sich die Frage: Was sagt das Blutbild aus? Der herkömmliche Vitamintest wird stets im Blutserum gemessen.
Nehmen wir als Beispiel mal Vitamin B12. Gerade Veganer und Vegetarier sind eine Risikogruppe, die besonders häufig unter einem starken Vitamin-B12-Mangel leiden. In zwei vergleichbaren Studien wurde ermittelt, wie viel Prozent der Vegetarier und Veganer einen akuten Vitamin-B12-Mangel aufweisen. Links findest Du die Ergebnisse des konventionellen Blut-Tests und rechts wird eine etwas genauere Messmethode verwendet:
Erkannte Prozent mit Vitamin-B12-Mangel:
[table id=43 /]
Mit dem herkömmlichen Serumstest wird bei 7% der Vegetarier ein Vitamin-B12-Mangel erkannt. Klingt gut. Also haben 93% keinen Mangel? Falsch. Verwenden wir nur eine etwas genauere Messmethode (Holo-TC), so steigt die Zahl der erkannten Mangelversorgten auf 68% an.
Sprich: Mit dem konventionellen Blut-Test wurden 61% der Vegetarier und 31% der Veganer mit einem offensichtlichen Vitamin-B12-Mangel nicht erkannt.
Du kannst Dir Dein Blut wie eine Autobahn vorstellen, auf der LKWs Waren transportieren. Anhand der Menge an LKWs kannst Du vielleicht sehen, wie viele Waren ungefähr unterwegs sind. Aber Du hast keine Ahnung, wie viel davon am Ende im Warenlager landet, wie viel verloren geht oder wie viele Reserven im Lager stehen.
Mit dem Standard-Test wird lediglich das im Blut herumschwimmende Vitamin getestet. Dieser Wert sagt jedoch nichts über die Vitaminversorgung in Deinen Organen, Gehirn oder Zellen aus. Der Test im Blutserum ist also meeeehr als unzuverlässig. Das ist übrigens kein Geheimnis, sondern durchaus bekannt. So schreibt selbst das Deutsche Ärzteblatt: „Gesamt-Vitamin-B12 im Serum ist ein später, relativ unsensitiver und unspezifischer Biomarker des B12-Mangels.“
Dennoch wird Dein Arzt vermutlich lediglich den unzuverlässigen Serumtest durchführen. Warum? Weil nur dieser – wenn überhaupt – von der Krankenkasse bezahlt wird, Dein Arzt die neuen Forschungsergebnisse nicht kennt oder er nur eine Partnerschaft mit einem Standard-Labor hat. Letztere verfügen nicht mal über die Ausrüstung, um genaue Vitamintests durchführen zu können. Doch was denkst Du, wie viele Ärzte ihren Patienten weiterhin erklären „ach schau hier, tiptop Serumswerte, alles im grünen Bereich“ ?
Das ist eine gefährlich Einstellung, denn ein Vitamin-B12-Mangel muss frühzeitig erkannt werden. So schreibt das Deutsche Ärzteblatt weiter: „Vitamin-B12-Mangel tritt in der Bevölkerung häufiger auf als bisher angenommen. Da ein B12-Mangel zu irreversiblen neurologischen Schädigungen führen kann, ist eine frühzeitige Diagnose erforderlich.“
Mit einem herkömmlichen Blut-Test erkennen wir einen Vitamin-B12-Mangel nur im fortgeschrittenen Stadium – wenn es für Prävention oft schon zu spät ist.
Wie zuverlässig ist eine Blutuntersuchung?
In Studien wurden Menschen mit Vitamin-B12-Mangelsymptomen behandelt, bei denen man keinen Mangel nachweisen konnte. Ergänzte man Vitamin B12, verschwanden die Mangelsymptome. Das zeigt: Ein positives Blutbild schließt einen Vitaminmangel nicht aus. Vielleicht denkst Du jetzt, Vitamin B12 wäre ein Ausnahmefall. Da muss ich Dich enttäuschen.
Der Serumswert ist immer nur eine kurzfristige Momentaufnahme. Das gilt für Vitamin B12, Vitamin A oder Vitamin C genauso wie für alle anderen Nährstoffe. Bei Vitamin A zum Beispiel ändert sich der Blutwert zum Teil gar nicht, selbst wenn man Vitamin A ergänzt. Warum? Der Körper hält den Blutspiegel relativ konstant und speichert stattdessen zusätzliches Vitamin A in der Leber. Im Blut siehst Du davon nichts.
Die Fehlerrate von Bluttests ist also enorm hoch und nicht geeignet, um die Nährstoffversorgung im Körper widerzuspiegeln. Nehmen wir als weiteres Beispiel kein Vitamin, sondern Omega-3-Fettsäuren: Der herkömmliche Omega-3-Test misst erstens lediglich die kurzfristige Versorgung. Zweitens schmeißt er sämtliche Omega-3-Fettsäuren in einen Topf. Heute weiß man jedoch, dass es unterschiedliche Omega-3-Fettsäuren gibt. Schlüsselt man diesen Wert nicht genau auf und misst direkt in der Zellmembran, erhält man ein irreführendes Ergebnis.
Doch noch erschreckender, Studien zeigten: Selbst wenn man eine aufwändige Messmethode verwendet, schwankt das Ergebnis – bei ein und denselben Blutproben – je nachdem welches Labor den Test durchführt.
Die Blutuntersuchung von Vitaminen und anderen Nährstoffen ist unzuverlässig: Ein Mangel lässt sich per Blutbild nicht ausschließen.
Was ist ein Vitaminmangel? Was ist der Normwert? Was ist optimal?
Zu guter Letzt bleibt die Frage, was man mit den Ergebnisse macht. Denn was sind optimale Blutwerte? Ist das klar? Nein, auch hierüber streiten sich Wissenschaftler. Dein übliches Blutbild zeigt Dir einen sogenannten Normwert an und Dein Hausarzt wird Dir vermutlich erklären: Wenn Du im Normbereich liegst, sei alles gut.
Doch das ist vollkommen falsch. Beim Normwert handelt es sich um einen statistischen Mittelwert, der anhand der Bürger und Blutwerte eines Landes ermittelt wird. Darunter natürlich auch das Blut kranker oder unterversorgter Menschen. Deshalb unterscheiden sich übrigens auch die Normwerte von Land zu Land.
Ein Beispiel: In Deutschland liegt der durchschnittliche Blutwert für Selen bei ungefähr 80μg/l. Misst Dein Arzt einen Wert über 80, so freut er sich vermutlich bereits wie ein Hamster. Doch schauen wir weiter: Die WHO empfiehlt einen Selenwert von über 150 – ein klitzekleines bisschen mehr. Selbst in den USA (so toll ernähren die sich nicht) liegt der Mittelwert schon bei 160. In Kanada liegt er bei 190 und in Südamerika sogar über 240. Das aber nicht, weil die Südamerikaner so viele Nahrungsergänzungen futtern. Und die Südamerikaner sterben auch nicht reihenweise an einer Selenvergiftung.
Auch das wissen die wenigsten Ärzte. Viele warnen sogar, wenn Du an die obere Grenze des Normbereichs stößt. Wie unsinnig diese Annahme ist, zeigt zum Beispiel auch die Analyse des Normwerts von Vitamin A. Der liegt in Deutschland ungefähr zwischen 20-80 μg/dl. Die Empfehlung des Mediziners Dr. Strunz, der sich auf Bluttuning spezialisiert hat, liegt jedoch zwischen 100-200 μg/dl. Was also in den Augen von Hausärzten eine toxische Überdosierung wäre, ist in den Augen eines Spezialisten optimal.
Ein weiteres Beispiel ist Vitamin C: Der Normwert in Deutschland liegt ungefähr bei 20-65 μmol/L. Jedoch sind laut Experten für Prävention Werte unter 50μmol/L bereits schlecht und Werte über 70μmol/L gelten als optimal. Das heißt, der optimale Blutwert liegt erneut über dem, was als „normal“ angesehen wird.
Wer wirklich fünf bis neun Portionen Obst und Gemüse am Tag isst, liegt übrigens meistens über den gewünschten 70μmol/L. Was scheinbar kleine Unterschiede in den Zellen ausmachen können zeigen Studien: Jede Steigerung um 20 μmol/L an Vitamin C, wird mit einer 20% geringeren Sterblichkeit assoziiert.
Experten streiten sich, welche Blutwerte optimal sind. Doch mehr ist besser: Hohe Vitaminwerte sind in der Regel keine Überdosierung, sondern ein Zeichen für eine gute Versorgung.
Fazit: Optimal versorgen statt minimal messen
Wir haben immer gerne schwarz auf weiß, ob wir gut versorgt sind oder nicht. Wir möchten einen Test und ein schönes Zertifikat, das uns bestätigt: „Sie sind gesund, Sie sind toll, gratuliere!“
Dass das bei Vitaminen leider (noch) nicht funktioniert, zeigen die unzuverlässigen Ergebnisse und Fehlinterpretationen. Man kann einen langanhaltenden Vitaminmangel über das Blutbild feststellen und in diesem Fall sollte man so schnell wie möglich reagieren. Man kann jedoch keinen Vitaminmangel per Blutbild ausschließen. Denn selbst wenn Deine Blutwerte im Normbereich liegen, kannst Du einen Mangel haben oder Dich schlecht fühlen.
Wer dennoch sein Blut testen lassen möchte, kann das bei Spezial-Laboren in Auftrag geben. Wichtig ist dabei, Nährstoffe stets in den Zellen zu messen, da dies die zuverlässigste Methode ist. Diese Bluttests werden jedoch nicht von den Kassen übernommen.
Für jeden Nährstoff, den Du testen lassen möchtest, musst Du ungefähr zwischen 20-80€ rechnen. Der Omega-3-Test, den ich persönlich habe machen lassen, heißt HS Omega-3-Index und wird meines Wissens bis dato nur von einem Labor in Deutschland angeboten. Mehr dazu findest Du auf: Omegametrix.eu
Manche Experten werden Dir raten, Dein Blut bei ihnen mehrmals im Jahr testen zu lassen. Dr. Strunz zum Beispiel verlangt für eine umfangreiche Blutanalyse der wichtigsten Nährstoffe und seine Beratung rund 1.800€.
In meinen Augen ist dieses Geld besser in eine gesunde Ernährung und zuverlässige Nahrungsergänzungen investiert. Denn keine Blutanalyse gibt eine 100%-ige Garantie und welche Blutwerte optimal sind, bleibt weiterhin umstritten. Deshalb macht es mehr Sinn, die Ernährung zu analysieren, als sich ausschließlich auf Blutwerte zu verlassen. Ich sage zu meinen Freunden immer gerne:
Wenn ich oben nicht genug reinschmeiße, brauche ich gar nicht erst zu testen, ob unten genug ankommt.
Also erstmal eine Basis über die Ernährung bilden, clever ergänzen und dann – wenn Du unbedingt willst – kannst Du immernoch testen, ob dennoch Mängel bestehen.
P.S.: Im Krankheitsfall ist ein Blutbild immer wichtig, um Defizite und zusätzliche Belastungen zu erkennen und auszugleichen. In diesem Fall sollten Dein Arzt und Dein Ernährungsberater Hand in Hand arbeiten.
Wichtigste Quellen
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2933506/?tool=pubmed
http://ajcn.nutrition.org/content/78/1/131.long
http://www.aerzteblatt.de/archiv/61696/Ursachen-und-fruehzeitige-Diagnostik-von-Vitamin-B12-Mangel
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3142734/
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2008/daz-38-2008/vitamin-c-ascorbinsaeure
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23897583
https://www.degruyter.com/view/j/labm.2014.38.issue-4/labmed-2014-0007/labmed-2014-0007.xml
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15466926/
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3827408/