Die Neujahrsgeschichte der fröhlichen Kellnerin

Pascal Pape

Dieses Mal will ich Dir zum neuen Jahr nur eine kurze Geschichte erzählen.

Drei Tage nach Silvester wollte ich, mit einer Freundin, zum Frühstücken in eine Bäckerei. Um 12 Uhr rief ich an und fragte „können wir bei Euch noch von der Frühstückskarte bestellen?“ Die Stimme am anderen Ende des Telefons antwortete „ja klar, aber wann wollen Sie kommen? Wir sind ziemlich voll. In 15 Minuten? Dann reserviere ich einen Tisch für sie.“

Nicht schlecht, eine volle Bäckerei an einem Freitag Vormittag. Als wir ankamen, begrüßte uns die Kellnerin freundlich „wir haben telefoniert?“, schob uns an einen Tisch und war direkt wieder weg. Kein Problem, wir müssen ja eh erstmal die üppige Frühstückskarte studieren.

Warmes Getränk, check. Frischgepresster O-Saft, check. Aber was zum Essen? Naja, bestellen wir erstmal Getränke. Wo ist die Kellnerin? Sie huschte wild durch die Bäckerei. Wir bekamen nicht einmal einen kurzen Blick, also steckte ich meinen direkt wieder zurück in die Karte. Ich war immernoch unentschlossen, was ich nehmen sollte, lugte aber immer mal wieder nach oben, um nach der Kellnerin zu sehen. Doch die würdigte mich keines Blickes. Nachdem einige Wartezeit verging, legte ich die Karte weg und versuchte sie auf uns aufmerksam zu machen.

Mehrere Minuten später entdeckte sie uns dann endlich wieder. „Ach, Euch habe ich ganz vergessen! Tut mir Leid.“ Kein Problem. Bestellung aufgegeben und weg war sie wieder.

Meine Freundin und ich unterhielten uns, während wir auf unser Essen warteten. Der Uhrzeiger drehte sich weiter, nichts geschah. Wir begannen unweigerlich nach unserer Bestellung zu suchen und dabei der Kellnerin zuzusehen.

Erst jetzt wurde mir wirklich bewusst: Hinter der Theke waren zwar mehr als drei Mitarbeiter, die genüsslich vor sich hin schlurften. Doch die Kellnerin war ganz alleine für die Bedienung zuständig und völlig überfordert mit der vollen Bäckerei. Sie rannte von links nach rechts, verschwand hinter der Theke, diskutierte mit anderen Mitarbeitern, huschte zum Eingang, wieder zurück. Dann einige Minuten später brachte sie eine unserer Mahlzeiten, aber eben nur eine und keine Getränke. Sie verschwand und huschte wieder von links nach rechts.

Wir sahen, dass unsere zwei Orangensäfte längst fertig auf auf dem Tresen standen. Doch die Kellnerin rannte immer wieder vorbei. Sie nahm eine neue Bestellung am einen Ende auf, rannte dann wieder zum anderen, ging kurz zum Tresen, nahm ein Glas O-Saft, diskutierte wieder irgendwas mit einer anderen Mitarbeiterin, stellte das Glas wieder hin, begrüßte neue Gäste, gab ihnen einen Tisch, rannte in die andere Richtung, wieder hinter den Tresen und nahm dann endlich einen Teller – ich sagte „ah super, das ist mein Croissant“ – zu früh gefreut, der Teller landete am anderen Ende der Bäckerei.

Mittlerweile stand auch mein Frühstück – dachte ich zumindest, sicher war ich mir natürlich nicht – fertig am Tresen und wurde kalt. Ist es jetzt unhöflich, wenn wir uns unseren Orangensaft selbst holen? Meine Freundin wurde langsam richtig ungeduldig.

Wir sahen ihr noch weiter zu: Links, rechts, Bestellung aufnehmen, reden, einen Teller nach rechts, ein Glas nach links, eine Pfeffermühle in die Mitte, wieder hinter den Tresen, sie nahm einen Teller, tippte wild in der Kasse herum, stellte den Teller wieder hin – „JETZT REICHT’S!“

Meine Freundin schnaubte und stampfte gerade wütend los, da kam die Kellnerin und frohlockte „und hier Ihr Frühstück“. Meine Freundin setzt sich wieder „und die zwei O-Säfte bitte noch?“ Die Kellnerin sammelte unsere Gläser auf und brachte sie an unseren Tisch. „Aber natürlich, sorry.“ Nächste genervte Nachfrage: „Und die warmen Getränke?“ Die Kellnerin blieb weiterhin freundlich: „Sind noch in Arbeit, kommen gleich.“

Endlich konnten wir uns das Frühstück schmecken lassen. Danach bezahlten wir und verließen mit vollen Bäuchen die Bäckerei.

Was ich Dir mit der Geschichte sagen will

Dass wir immer gelassen bleiben sollen? Mmm.. Ja, wer gelassen bleibt und sich nicht aus der Ruhe bringen lässt, macht bestimmt schon mal was richtig.

Aber was mir an diesem Tag so richtig bewusst geworden ist: Wer viele Dinge gleichzeitig angeht, kriegt eventuell gar nichts gebacken. (Japp, mir ist das Wortspiel auch aufgefallen.)

War die Kellnerin überfordert? Selbstverständlich. War es eine schwierige Situation? Ganz klar. Aber hätte sie es besser und vor allem einfacher hinbekommen können? Ja. Simpel.

Wenn sie sich immer auf ein Ziel konzentriert hätte, dann hätte es deutlich besser geklappt.

Eine Aufgabe nach der anderen. Ein Schritt nach dem anderen.

Doch die Kellnerin wollte alle gleichzeitig glücklich machen. Neue Gäste, diejenigen, die bereits bestellt hatten, diejenigen, die noch nicht bestellt hatten und obendrauf noch die Kollegen. Erst dadurch kam sie so richtig ins Strudeln. Unser Gehirn mag es nicht in Zick-Zack zu denken, das ist purer Stress. Und man konnte spüren, dass sie unter Stress stand – obwohl sie ihr Lächeln nicht verlor.

Sie fing mit Aufgaben an, die sie kurz danach wieder abbrach, nur um eine neue anzugehen. Das ist Stress und obendrauf ist keiner glücklich, keinem ist geholfen. Denn sie brachte keine Aufgabe richtig fertig.

Ich selbst hätte erstmal die fertigen Speisen und Getränke als höchste Priorität genommen und ausgeliefert. Niemand mag warmes Essen kalt.

Dann hätte ich neue Gäste begrüßt.

Erst danach neue Bestellungen aufgenommen.

Und die Kollegen hinter dem Tresen hätte ich ihre Probleme selbst lösen lassen.

Kannst Du Dir vorstellen, dass der Service besser geklappt hätte? Kannst Du Dir vorstellen, dass sie nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich entspannter gewesen wäre? Und kannst Du Dir vorstellen, dass nicht nur die Gäste, sondern auch sie zufriedener gewesen wären?

Was das für Dich heißt

Zum neuen Jahr nehmen wir uns oft ganz viele Vorsätze vor: Mehr Sport, gesünder ernähren, weniger Alkohol, endlich nach einem neuen Job suchen, weniger auf Instagram rumhängen und so weiter.

Meine Empfehlung für Dich: Mach nicht alles auf einmal. Sondern konzentrier Dich auf ein Ziel und geh es in kleinen Schritten an. Was ist gerade am wichtigsten für Dich? Welche warme Speise wird gerade kalt? Welcher Handgriff lässt sich leicht umsetzen und zaubert Dir möglichst schnell ein Lächeln auf die Lippen? Wo erntest Du Anerkennung von Deinen Gästen, also Freunden und Familie?

Wenn Du Deine Lebensbereiche etwas sortieren möchtest, dann hilft Dir zum Beispiel mein Life Circle. Damit bekommst Du schnell einen groben Überblick, wo es gerade besonders brennt und worauf DU Dich konzentrieren möchtest. Dann such Dir einen Bereich aus und fang damit an.

Viel Spaß bei der Umsetzung!

P.S.: Wenn bei Dir „gesunde Ernährung“ und/oder „abnehmen“ ganz oben auf der Liste steht, dann wäre eine Stoffwechselkur der perfekte erste Schritt für das neue Jahr.

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