Basische Ernährung: Ist sie wirklich so gesund?
Letztens kam ein Leser auf mich zu und hat mich gefragt, warum ich Fleisch und Fisch als Teil einer gesunden Ernährung empfehle: „Heißt das also, du hältst basische Ernährung nicht für sinnvoll?“
Auch andere Leser haben schon ähnliche Fragen gestellt und waren der Überzeugung, dass tierische Produkte pauschal schlecht seien, da sie „sauer“ sind und man sie deshalb meiden sollte. Das hat mich veranlasst, dieses Thema noch einmal aufzugreifen und für etwas Klarheit zu sorgen. Denn wie immer, kursieren viele Missverständnisse zu Übersäuerung und basischer Ernährung. Was ist das überhaupt? Ist basisch gesund und sauer schlecht? Was bedeutet das für meine Ernährung?
Die Theorie der basischen Ernährung
Jeder kennt vermutlich noch den pH-Wert aus dem Chemie-Unterricht. Mit dem pH-Wert lassen sich Säuren und Basen unterscheiden:
- 0 – 6: Sauer
- 7: Neutral
- 8 – 14: Basisch
Unser Blut wird streng reguliert, ist ganz leicht basisch und liegt im pH-Bereich zwischen 7,35 und 7,45. Auch Lebensmittel lassen sich in sauer und basisch unterteilen. Hierbei zählt jedoch keine direkte Messung, sondern wie sie in unserem Körper verstoffwechselt werden.
Jedes Lebensmittel enthält säurebildende und basenbildende Komponenten. Ob ein Lebensmittel als sauer oder basisch gilt, hängt davon ab, welcher Teil überwiegt. Deshalb ist bereits die Unterteilung oft schwierig, weil der Ablauf im Körper nicht immer eindeutig ist.
Die pauschale Unterteilung sieht ungefähr so aus:
- Sauer: Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Getreide, Eier, Nüsse, Alkohol, Süßigkeiten und verarbeitete Lebensmittel
- Neutral: Natürliche Fette und Ballaststoffe
- Basisch: Gemüse und Früchte
Doch es herrscht große Uneinigkeit im Lager der basischen Ernährung:
Der eine sagt, Hülsenfrüchte sind sauer, der andere sagt, Hülsenfrüchte sind basisch. Einerseits gelten Obst und Gemüse pauschal als basisch, andererseits ist man sich bei einigen Sorten nicht so sicher. Manche Quellen sagen, einige Beerensorten wie Blaubeeren bilden eine Ausnahme und sind sauer, andere sagen, auch die Blaubeeren sind basisch, wieder andere lassen die blöden Blaubeeren einfach ganz raus.
Die Unterteilung in sauer und basisch ist nicht immer eindeutig.
Was ist eine basische Ernährung?
Bei „sauren“ Lebensmitteln entstehen während der Verstoffwechselung Säuren. Um das Gleichgewicht aufrecht zu erhalten, muss unser Körper die anfallenden Säuren neutralisieren – denn ein Abweichen des pH-Wertes unseres Blutes wäre lebensgefährlich.
Um Säuren neutralisieren zu können, braucht unser Körper basische Mineralien wie Calcium. Die Theorie besagt, wenn nicht genügend Mineralien durch die Nahrung zur Verfügung stehen, so betreibt unser Körper schlichtweg Raubbau: Er zieht dann zum Beispiel Mineralien wie Calcium aus den Knochen, wodurch diese brüchig werden.
Das klingt nicht schön. Die Theorie der basischen Ernährung unterteilt deshalb Lebensmittel in gute basische und die bösen sauren Lebensmittel, die Nährstoffe rauben. Die basische Ernährung sollte folglich nur aus basischen Lebensmitteln bestehen. Oder?
Auch hier sind sich die Verfechter der basischen Ernährung noch nicht richtig sicher. So heißt es zum Beispiel auf der Seite Zentrum der Gesundheit einmal: „Die basische Ernährung besteht […] ausschliesslich aus gesunden basischen Lebensmitteln“, aber an anderer Stelle heißt es plötzlich:
„Säure bildende Lebensmittel sind nicht in jedem Falle automatisch auch schlecht und ungesund. Im Gegenteil: Es gibt Lebensmittel, die zwar durchaus Säure bildend wirken können, aber gleichzeitig sehr gesund sind […]“
Sprich: Eigentlich weiß man es selbst noch nicht so richtig.
Basische Ernährung: Sauer ist ungesund? Doch nicht immer?
Nur basisch? Ein bisschen basisch? Die Defintion bleibt schwammig.
Ist eine rein basische Ernährung gesund?
Bei der basischen Ernährung wird anhand nur eines Merkmals klar in schwarz oder weiß unterteilt. Doch wie kommt man dazu, Ernährung derart zu vereinfachen? Leicht erklärt.
Wenn Du die Liste der sauren Lebensmittel betrachtest, fällt Dir dann ein Muster auf? Fleisch, Fisch, Milch… Na? Ganz genau, alle tierischen Produkte fallen unter „saure Lebensmittel“. Wer aber nur deshalb Fleisch mit Dingen wie Alkohol in einen Schublade schmeißt, betreibt unseriöse Propaganda.
Blöd nur, dass Ausreißer wie zum Beispiel Proteine ganz schlecht ins Bild passen. Unser Körper braucht ein breites Spektrum an Aminosäuren als Bausteine. Jedoch werden fast alle Aminosäuren nunmal sauer verstoffwechselt – egal ob pflanzlich oder tierisch, egal ob Kuh, Erdnuss oder Sojamilch. Und man kann auch schlecht einzelne Aminosäuren weglassen, denn unser Körper braucht nunmal alle essenziellen Aminosäuren, auch die bösen sauren.
Spätestens an diesem Punkt fällt das Kartenhaus der basischen Ernährung in sich zusammen. Die guten Nüsse, der gesunde Fisch und selbst der treue Bio-Tofu fallen in die saure Ecke.
Eine zu basische Ernährung enthält zu wenige Aminosäuren und ist genauso ungesund wie eine zu saure Ernährung.
Sind basische Lebensmittel gesünder?
Also, reden wir mal Tacheles: Auf welchen Studien baut die Theorie der basischen Ernährung auf? Sind basische Lebensmittel gesünder?
Tatsächlich lügen die großen Überschriften nicht, es gibt verlässliche Studien, welche die basische Ernährung scheinbar untermauern und zum Beispiel behaupten: „Basische Ernährung fördert die Knochengesundheit.“
Schafft man es aber seinen faszinierten Blick von der Überschrift zu wenden und auch mal in die Studien reinzuschauen, so fällt einem ein durchgängiges Muster auf: So wurde in einer beliebten Studie aus The American Journal of Clinical Nutrition gar nicht das Säure-Base-Verhältnis der Ernährung gemessen. Sondern man hat einfach nur die Kaliumzufuhr als ungefähren Richtwert verwendet. Wo ist Kalium drin? In Obst und Gemüse.
Auch bei anderen Studien wie der im The Journal of Nutrition veröffentlichten heißt es lediglich: „Der Konsum von Kalium, Magnesium, Früchten und Gemüse“ wird mit einer besseren Knochengesundheit assoziiert.
Die meisten angeführten Studien sagen also nichts anderes als „Obst und Gemüse sind gesund“. Denn was sind basische Lebensmittel? Hauptsächlich Obst und Gemüse. Sind basische Lebensmittel gesund? Selbstverständlich!
Ich stelle mir persönlich die Frage „was soll das?“ Wir können gerne mal eine Umfrage starten, aber ich denke, das ist den meisten Menschen längst bewusst.
Bahnbrechende neue Erkenntnis: Der Konsum von viel Obst und Gemüse ist gesund.
Die Frage sollte deshalb doch vielmehr lauten:
Sind saure Lebensmittel ungesund?
Hier wird es noch etwas komplizierter und man muss sich noch genauer durch die Details der Studien wälzen. So hält sich hartnäckig das Vorurteil, dass nicht nur Milch, sondern alle tierischen Proteine Calcium aus den Knochen ziehen.
Wie vorher bereits angesprochen, sind selbst pflanzliche Proteinquellen sauer – auch zum Beispiel Chia-Samen & Co. Streng genommen müsste man also fast alle Proteinquellen als Calciumräuber bezeichnen. Doch sehen wir uns das genauer an.
Ein kurzer Blick auf die Studienlage und man liest, dass der Konsum von sauren Lebensmitteln tatsächlich zur erhöhten Ausscheidung von Calcium über den Urin führt. Die voreilige Schlussfolgerung lautet jetzt: „Wer mehr rauspieselt, hat weniger Calcium im Körper. Und dieses Calcium wird aus den Knochen geraubt.“
Eine Meta-Analyse von fünf zuverlässigen Studien zeigte aber, dass diese Annahme falsch ist. Zwar beobachtete man auch hier, dass mehr Säure im Urin mit mehr Calcium im Urin assoziiert wurde. Jedoch gab es keinen Zusammenhang zwischen der Säure im Urin und dem Calcium-Level im Körper.
Upps. Wie kann das sein? Ganz einfach, Studien haben gezeigt, dass Proteine die Absorption von Calcium in unserem Darm erhöhen. Wenn wir mehr Proteine konsumieren, absorbiert unser Körper Calcium derart gut, dass er zwar auf der einen Seite mehr Calcium ausscheidet, aber auf der anderen Seite oft sogar mehr Calcium zur Verfügung hat als vorher.
Auch in einer großen Meta-Analyse aus 61 Studien wurde beobachtet, dass ein hoher Proteinkonsum mit gesunden Knochen in Verbindung steht. Diese Argumentation ist so wasserdicht, dass sie sogar in die andere Richtung funktioniert. In einer Studie wurde der Proteinkonsum dramatisch begrenzt, was in einem Abfall der Knochenmasse und -stärke resultierte.
Proteine sind zwar säurebildend, dennoch zum Beispiel für die Knochengesundheit unersetzlich.
Fazit: Basische Ernährung wird falsch propagiert
Es ist unklar, was genau man mit der Theorie der basischen Ernährung bezwecken möchte. Natürlich sind basische Lebensmittel wie Obst und Gemüse unheimlich gesund, saure Lebensmittel sind jedoch genauso wichtig und gesund. Tierische Lebensmittel lassen sich keineswegs mit Fast-Food, Tütensuppen oder Giften wie Alkohol in eine Schublade stecken.
Übrigens ist wie immer die Qualität entscheidend: Wer Kühe mit unnatürlichem Futter wie Getreide und Mais füttert, setzt diese Tiere einer Übersäuerung aus. Das heißt, Fleisch aus Massentierhaltung ist unnatürlich säurebildend und kostet damit tatsächlich unnatürlich viele basische Mineralstoffe. Wer also dafür sensibilisieren möchte, dass tierische Produkte aus Massentierhaltung ungesund sind, erhält meinen vollen Zuspruch.
Natürliche tierische Lebensmittel bleiben aber gesund. Proteine unterstützen sogar unsere Nieren und helfen unserem Körper Säuren auszuscheiden. Sie sind also säurebildend, entsäuern aber gleichzeitig.
Wer sich sehr stark basisch ernährt, begünstigt einen Mangel für zahlreiche Nährstoffe – darunter Vitamin B12, Calcium, Zink, Vitamin D, EPA und DHA – und den Krankheiten, die damit in Verbindung stehen.
Wie immer geht es also um die richtige Balance. Gleichgewicht und Vielfalt machen eine natürliche Ernährung aus und eine natürliche Ernährung ist eine gesunde Ernährung.